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Warum spricht der Wirtschaftsminister von Österreich in Düsseldorf über Entscheidungen?

Rückblick zum »12th Düsseldorf Symposium on Decision Neuroscience« am 26. Juni 2023 im Haus der Universität in Düsseldorf

Lieber Gast,

eine wissenschaftliche Tagung – auch wenn es um anwendungsorientierte Forschung zu Entscheidungen aus neurowissenschaftlicher, verhaltensökonomischer und psychologischer Sicht geht – hat selten einen Gast aus der Politik auf der Rednerbühne.

Doch am Montag, den 26. Juni 2023, war dies der Fall in Düsseldorf: Denn dort fand von 10 bis 17 Uhr im Haus der Universität am Schadowplatz (nahe der Königsallee) das von Tobias Kalenscher und seinem Team organisierte „12th Düsseldorf Symposium on Decision Neuroscience“ statt.

Martin Kocher, der österreichische Arbeits- und Wirtschaftsminister, sprach über Entscheidungsexperimente und politische Entscheidungen. Und mit seinem wissenschaftlichen Hintergrund und seiner langjährigen akademischen Berufslaubahn als Verhaltensökonom an der Universität Wien verband er geschickt wissenschaftliche Forschung und die Herausforderungen von ihm und Politikern allgemein, häufig schnell und informiert Entscheidungen treffen zu müssen.

Neben ihm gaben weitere internationale Redner und renommierte Experten auf ihrem Gebiet interessante und detailreiche Einblicke über zentrale und aktuelle Ergebnisse ihrer Arbeit:

  • Paul Glimcher von der New York University redete darüber, wie wir „Efficiently Irrational“ sind – und über sein Modell und die Erkenntnisse seiner Forschungsgruppe zum menschlichen Entscheidungsverhalten, dessen biologische Einschränkungen und die Thermodynamik.
  • Inbal Ben-Ami Bartal von der Tel-Aviv Universität präsentierte zum Thema prosoziales Verhalten neuropsychologische Ergebnisse aus Tiervergleichsstudien – und zeigte das unsere biologischen Verwandten aktiv anderen Tieren bei Problemen helfen und sich somit für das Gute entscheiden.
  • Carmen Sandi vom Brain Mind Institute der École Polytechnique Féderale de Lausanne aus der Schweiz fokussierte sich in ihrem Vortrag auf die neuronalen Schaltkreise und hormonalen Verbindungen zwischen Stress, Angst und Motivation – und die Frage, welche Rolle Eigenschaftsangst (siehe hierzu das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit, die Big-Five) dort und bei der Entwicklung psychischer Erkrankungen wie Depression spielt.

In seinem Eröffnungsvortrag informierte Gastgeber Tobias Kalenscher, Comparative Psychology der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die rund 120 Teilnehmer vor Ort und weitere Hundert online (hybride Veranstaltung) über die Geschichte und den Hintergrund der Konferenz, die nun zum zwölften Mal stattfand. Weiter führte er kurz und prägnant in die Themen der Referenten ein – und ihre wichtigen Beiträge hierzu. Mehr zu den Referenten erfuhren wir zudem über die kurzen biographischen Zusammenfassungen seiner Mitarbeiter vor Beginn jedes Vortrags.

Für mich waren hier die Vorträge von Paul Glimcher und Martin Kocher besonders spannend. Trotz seiner vielen Leistungen und seine Rolle als Mitgründer des Faches Neuroökonomie war der Mensch Paul Glimcher und seine Forschung mir bislang unbekannt (ok, Neuroökonomie ist nicht mein Fokus-Thema). Denn er brachte mir neue Impulse in Bezug auf das menschliche Entscheidungsverhalten im Spannungsfeld zwischen Rationalität, Urteilsfehlern, Heuristiken und Intuition (kurz: Kahneman vs. Gigerenzer).

Und Martin Kocher gab einen spannenden Einblicke, wie Politiker tatsächlich entscheiden, welche Quellen und Experten sie warum und wie konsultieren. Der aufmerksame Leser fragt sich hier bestimmt, wann ich nun die Antwort auf meine Eingangsfrage liefere: Nämlich, warum überhaupt der Arbeits- und Wirtschaftsminister von Austria ohne großes Gefolge und trotzt seiner knappen Zeit, die Tagung mit seinem Besuch ehrte.

Veranstalter Tobias Kalenscher gab hierzu die Antwort: Vor langer Zeit waren beide als Wissenschaftler an der Universität Amsterdam tätig – und lernten gemeinsam in einem Kurs Niederländisch. Sie wurden Freunde, waren beide Genießer des schottischen Nationalgetränks und blieben danach in Kontakt.

Auch für mich war die Veranstaltung ein Wiedersehen, denn Tobias war, vor noch längerer Zeit, zusammen mit anderen Studenten aus höheren Semestern, derjenige, der die Einführungsveranstaltungen für uns Erstsemester in Psychologie an der Universität Düsseldorf durchführte. Dies fiel mir erst bei meiner Anmeldung zum Symposium Anfang des Jahres auf, als ich das Foto von ihm sah (auch wenn seine Haare nun deutlich kürzer waren), und sein Name Erinnerungen an meine studentischen Anfangsjahre wach rief.

Fazit: Die wissenschaftliche Konferenz zum Entscheidungsverhalten auf Basis neurowissenschaftlicher, verhaltensökonomischer und psychologischer Forschung war für mich ein toller Tag. Trotz der Vorträge auf Englisch von einer Stunde mit einem hohen wissenschaftlichen Auflösungsgrad und vielen Details, die ohne vertiefende Erkenntnisse und aus praktischer Sicht nicht immer verständliche waren (doch es war ja auch eine Forschungskonferenz …).

Warum war es ein toller Tag? Eine Reihe von Gründen: Es gab wichtige inhaltliche Punkte (die zur Vertiefung anregen), die prima Organisation, die Pausen nach jeder Präsentation und die leibliche Versorgung, der klimatisierte und moderne Tagungssaal, sowie vor allem eine Reihe interessante Gespräche mit anderen Teilnehmern wie Nadine Gier (BWL: Marketing, Uni Düsseldorf) und Immo Schultz (Personal- und Organisationsentwickler), dem Referenten Paul Glimcher (ich fragte ihn zu Gerd Gigerenzers Forschung) sowie natürlich mit dem Gastgeber Tobias Kalenscher.

Ihm, seinen Team sowie der Heinrich-Heine-Universität, vielen Dank für diesen spannenden Montag!

Herzliche Grüße, Stefan Klemens


Personenlinks:

Tobias Kalenscher
https://www.neurosciences-duesseldorf.de/principal-investigators-and-junior-researchers/tobias-kalenscher

Martin Kocher
https://en.wikipedia.org/wiki/Martin_Kocher

Paul Glimcher
https://en.wikipedia.org/wiki/Paul_Glimcher

Gerd Gigerenzer
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerd_Gigerenzer

Nadine Gier
https://www.marketing.hhu.de/unser-team/dr-nadine-gier

Immo Schultz
https://www.hioc-online.de

Sach- und Ortslinks:

12th Düsseldorf Symposium on Decision Neuroscience
https://www.psychologie.hhu.de/en/arbeitsgruppen/vergleichende-psychologie/dsdn-2023

Neurowissenschaften (Neuroscience)
https://de.wikipedia.org/wiki/Neurowissenschaften

Verhaltensökonomik (Behavioral Economics)
https://de.wikipedia.org/wiki/Verhaltens%C3%B6konomik
https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/verhaltensoekonomik

Neuroökonomik, Neuoökonomie
https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/neurooekonomik
https://de.wikipedia.org/wiki/Neuro%C3%B6konomie

Entscheidung (Decision), Entscheidungspsychologie
https://de.wikipedia.org/wiki/Entscheidung
https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/entscheiden-entscheidungstheorie
https://de.wikipedia.org/wiki/Entscheidungspsychologie

Haus der Universtität
https://www.hdu.hhu.de

Heinrich Heine Universität
https://www.hhu.de

Von Stefan Klemens

Stefan Klemens arbeitet als People & Digital HR Analyst und gründete Schorberg Analytics 2022. Der Diplom-Psychologe und ausgebildete Bankkaufmann ist seit 2006 im Human Resource Management mit dem Schwerpunkt Online-Assessment, Online-Befragung sowie Arbeit, Gesundheit und Persönlichkeit tätig. Zuvor war er Mitarbeiter an der Bergischen Universität Wuppertal im Fachbereich Arbeits- und Organisationspsychologie und Angestellter bei der Stadtsparkasse Düsseldorf. Seit 2020 fokussiert er sich auf People Analytics, Data Science und Künstliche Intelligenz. Weiter ist er Gründer und Administrator der LinkedIn-Gruppe "Wirtschaftspsychologie Region Düsseldorf" (bis 2022 auf XING). Eines seiner Hauptanliegen ist die Verbindung von Zahlen und Statistik mit Intuition und Heuristik für bestmögliche Entscheidungen im Human Resource Management.